Willigis Jäger * 1925 † 2020 |
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MeditationDer Weg nach HauseIch habe die ganze Welt Rumi (1207 - 1273) Meditation als spiritueller ÜbungswegWarum einen spirituellen Weg gehen? Es kann nicht schaden, wenn es auf dem Weg, den die Menschheit nimmt, Alternativen gibt. Zen-Meditation und Kontemplation als WegMeditation als spiritueller Übungsweg hat eine lange Tradition. Die buddhistische Zen-Meditation und die christliche Kontemplation gehören zu dieser Tradition. Man muss nicht Buddhist oder Christ sein oder werden, um diese Wege gehen zu können. Den Weg findenMeditation begegnet uns heute in vielfältigem Gewand (Medizin, Wellness, Coaching). Es reicht zum Kennenlernen Ein spiritueller Weg ist dies aber noch nicht. Über dem Eingang des 1243 von Zenmeister Dogen in Japan gegründeten Eihei-ji Tempels steht der Satz: Nur wem die Frage nach Leben und Tod bedeutsam ist, möge hier eintreten. Wenn diese Frage auch für dich bedeutsam ist, dann sei einfach ganz wach! Der Weg, den du suchst, er wird dich finden. Den Weg gehenMeditation ist im Anfang eine Herausforderung. Es kostet Überwindung, sich regelmäßig hinzusetzen, den Körper zur Ruhe zu bringen und mitten im Tag dem Fluss der Gedanken nicht zu folgen. Meditation und Alltag sind sich noch fremd. Aber mit der Zeit wird dann beides mehr und mehr ineinander fallen und zu Einem werden. Den Weg gehen heißt nicht aussteigen, sondern Freundschaft schließen mit sich selbst. Das bedeutet, das Alltägliche anzunehmen und zu leben mit allem, was gelingt und scheitert, dich freut und schmerzt, mit seinem Geborenwerden und Sterben, mit deinem Licht und deinen Schatten. Spirituelle Übungswege, die nicht in den Alltag führen, sind Irrwege (Willigis Jäger). Was ist der Weg?Der Weg entsteht, wenn du gehst. Er ist immer der gegenwärtige Augenblick. Er ist dein wahrer Lehrer. Zen-MeditationMeister Dogen (1200 - 1253), japanischer Zenmeister, sagt über die Übungspraxis des Zazen: Hock dich hin KontemplationMeister Eckhart (1260 - 1328), deutscher Mystiker und Dominikaner, sagt über die Übungspraxis der Kontemplation: Ich will sitzen und schweigen und hören, Wie üben?Nur dies: sitzen, atmen, gehen Die Übung auf dem WegAuf beiden Wegen ist die Meditation in ihrer gegenstandsfreien Form als Sitzen in der Stille (Zazen) das zentrale Element der Übungspraxis. Die Übenden schweigen. Sie sitzen mit untergeschlagenen Beinen gerade aufgerichtet möglichst erdnah auf einem Meditationskissen oder -bänkchen. Menschen mit körperlichen Beschwerden oder Einschränkungen können auch auf einem Hocker oder Stuhl sitzen. Über längere Zeit still zu sitzen, ist nicht leicht. Anfänger sollten sich deshalb in die Übungspraxis der gegenstandsfreien Meditation einführen lassen. Dort können sie unter Anleitung einen Sitz finden und ausprobieren, der zu ihrem Körper passt. Der Sitz sollte es möglich machen, 15 bis 30 Minuten lang mit Würde und in heiterer Gelassenheit stillzusitzen. Für die eigene tägliche Übung auf dem Weg ist diese Zeit ein gutes Maß. Das meditative Gehen (Kinhin) zwischen aufeinander-folgenden Sitzeinheiten gehört zur Übung. Meditieren heißt präsent sein, heißt hören, spüren, lauschen. Übende folgen achtsam ihrem Atem. Auftauchende Gedanken nehmen sie wahr, folgen ihnen aber nicht. Alles darf sein! Den Weg frei machenÜber längere Zeit still zu sitzen, verursacht gelegentlich Schmerzen im Körper. Sich regelmäßig zur Übung hinzusetzen, erzeugt gelegentlich Widerstände im Geist. Es fördert die Übung, wenn beides bewusst wahr- und angenommen wird. Dagegen anzukämpfen kann dazu führen, dass Übende vergleichen und bewerten. Begeisterte können dann manchmal hartleibig, Kämpfernaturen stolz, und Wissenshungrige schlau werden. All das sind Hindernisse auf dem Weg. "Es kommt darauf an, bei der Übung dem Prozess nicht im Wege zu stehen, sondern den Weg frei zu machen, damit geschehen kann, was geschehen will. Üben Sie weiter! Es wird alles ganz klar werden", sagte mein Lehrer dazu. Es wird alles ganz klar werdenKinder vermögen die Wirklichkeit noch in ihrer 'heiligen Unabhängigkeit' (Dag Hammarskjöld) zu sehen. Ihr Blick ist unverstellt und klar. Im weiteren Lebensverlauf entwickeln sich dann aus vielfältigen glücklichen und leidvollen Erfahrungen selbstbezogene Vorstellungen von der Wirklichkeit. Durch sie wird der Blick verstellt und ist dadurch nicht mehr ganz klar. Wenn dann dem Übenden plötzlich geschieht, was geschehen will, wird der Blick im selben Moment wieder ganz klar. Unerwartet erlebst du Gegenwart. Alle subjektiven Filter, Schutzmauern, Konzepte und alle Lasten, die ihre Ursachen in Vergangenem und Künftigem haben verschwinden im Nu. Auf die Fragen 'Wer sitzt? Wer atmet? Wer geht?' ist die Antwort nicht mehr 'ICH'. Der Übende ist erwacht (Zazen: Kensho)! Diese wie aus dem Nichts hervorbrechende mystische Erfahrung lässt die Betroffenen verstummen, stammeln, schreien, weinen, lachen. Eine nie gekannte reine Freude ist dabei. Für alle, die das erleben, sind die äußeren Begleitumstände einer solchen Erfahrung anders. Gemeinsam ist eine tiefe Erschütterung und ein Dankbarsein und Staunen angesichts des fast Unerträglichen. Das Erleben selbst kann andauern: Minuten, Stunden. "Haben Sie Vertrauen und sitzen Sie weiter. Es wird alles gut werden", sagte mein Lehrer danach. Ein Segen ist es, auf einem spirituellen Weg von Menschen begleitet zu werden, die den Weg schon lange gehen, und denen man uneingeschränkt vertrauen kann. Es wird alles gut werdenMenschen, denen eine mystische Erfahrung zuteil wird, erfahren ein manchmal verstörendes Paradoxon: Sie erfahren mitten im 'Nichts ist gut!' 'Alles ist gut!' Aus diesem Paradoxon erwächst der große Zweifel, den Übende auf ihrem weiteren Weg neben einem großen Glauben (Vertrauen) und einer großen Entschlossenheit noch brauchen. Die Worte 'Es wird alles gut werden' verweisen darauf, dass der Weg nach einer ersten Erfahrung noch nicht zu Ende ist. Ein neues Bewusstsein wird möglichMeditation ist ein lebenslanger spiritueller Weg, bei dem es nicht darauf ankommt irgendwann oder irgendwo anzukommen. Meditation löst einen Prozess aus, der dein Herz öffnet und dein Leben ordnen kann. Dein Horizont wird weiter, und ein neues Bewusstsein wird möglich. Unendlich weit und leer, nichts von heilig. (Bodhidharma) Ein Leben spendender Brunnen werdenMit den Jahren kommen die Übenden allmählich zu einer Reife und großen Freiheit. Diese befähigen sie dazu, das, was noch nicht gut ist, zu erkennen und dort, wo es möglich ist, auch zu wandeln, ein jeder an dem Ort, wo er oder sie im Leben gerade hingestellt ist. So kann jeder und jede aufrichtig Übende früher oder später
für alles, was ins Leben gerufen ist, zu einem Brunnen werden,
der Leben spenden kann.
Brunnen am Benediktushof, Holzkirchen, Foto: (c) Wieland Gerhardt Das ist eigentlich unsere einzige moralische Aufgabe: Etty Hillesum (1914 - 1943) |
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